EN-45545-2 einfach erklärt


 

EN-45545-2 einfach erklärt


Bei der Konzeption von Schienenfahrzeugen liegt ein primäres Augenmerk auf der Gewährleistung der Sicherheit für Passagiere und Personal, insbesondere im äußerst seltenen Fall eines Zugbrandes. Neben den offensichtlichen Risiken wie Flammen und Hitze stellt der entstehende Rauch sowie die toxischen Gase im Brandfall eine erhebliche Gefahr dar. Die Reduktion dieser Risiken bildet einen zentralen Bestandteil der Norm EN 45545-2. Historisch gesehen haben verschiedene nationale Normen bereits Anforderungen an Materialien für Schienenfahrzeuge festgelegt. Im Zuge der europäischen Harmonisierung wurde im Juli 2013 die EN 45545 eingeführt. Nach einer Übergangszeit von drei Jahren sind seit dem 1. April 2016 nationale Normen nicht mehr gültig, und ausschließlich die EN 45545 ist bindend. Diese Norm legt europaweit einheitlich die brandschutztechnischen Anforderungen für alle eingesetzten Werkstoffe in Schienenfahrzeugen fest. 

Die Bestimmung der anzuwenden Brandschutznorm sieht auf den ersten Blick sehr komplex aus, ist aber sehr einfach und logisch wenn dies ein paar mal durchgeführt wurde. Wir geben Ihnen einen kleinen Einblick in die Notwendigen Schritte 

Bestimmung der geltenden Brandnorm

 
Die Struktur der Norm ist sorgfältig aufgebaut und orientiert sich entlang der gesamten Produktionskette, angefangen beim Endprodukt (dem Schienenfahrzeug) über die Baugruppen bis hin zu den Einzelkomponenten. Dieses Vorgehen ist darauf zurückzuführen, dass die potenzielle Gefährdung, die von einem bestimmten Schienenfahrzeug für Passagiere und Personal ausgeht, je nach Verwendungszweck stark variieren kann. Ein Unterbau für den Transport von Holz beispielsweise erfordert einen niedrigeren Brandschutzstandard als eine vollbesetzte U-Bahn. Die in der Norm festgelegten Anforderungen an das Brandverhalten von Werkstoffen und Komponenten hängen von verschiedenen Faktoren ab. (Siehe Auflistung rechts)

Einflussfaktoren


  • Betriebsklasse und Betriebsart
  • Einbauort des Bauteils
  • Form, exponierte Oberfläche
  • Brennbare Masse
  • Dicke

Ablauf Anforderungsdefinition

1. Bauartsklasse bestimmen

.

2. Gefährdungsstufe
bestimmen

3. Gelistete / nicht gelistete Komponenten

4. R-Satz definieren und 
richtiges Material auswählen

1. Betriebs- und Bauartklasse bestimmen

Zunächst müssen wir die Betriebs- und Bauartklasse des betreffenden Schienenfahrzeugs identifizieren. Die entsprechenden Klassifizierungen werden in Abschnitt 5 der EN 45545-1 festgelegt. Die Betriebsklasse (Operation Category) wird vor allem anhand der benötigten Evakuierungszeit aufgrund der Nutzung auf freier Strecke (OC 1) oder unterirdisch (kurzer Tunnel, langer Tunnel, seitliche Evakuierung möglich) bestimmt. Die Bauartklasse wiederum berücksichtigt, ob die Fahrzeuge Teil eines automatischen Zuges sind (Klasse A, ohne geschultes Notfallpersonal an Bord), Doppelstockfahrzeuge, Schlafwagen (Klasse S), Liegewagen oder andere Fahrzeuge (Standardfahrzeuge, Klasse N) sind. Oftmals wird diese Klassifizierung nicht vom Komponenten- oder Materiallieferanten selbst durchgeführt, sondern vom Endkunden vorgegeben.

2. Gefährdungsstufe

Die Kombination aus Betriebsklasse und Bauartklasse des Schienenfahrzeugs bestimmt die entsprechende Gefährdungsstufe (HL, englisch: Hazard Level). Diese festgestellte Gefährdungsstufe legt die erforderlichen brandschutztechnischen Anforderungen (Anforderungssätze) für Materialien und Komponenten fest.


3.1 Gelistete Komponenten

Die aufgelisteten Komponenten sind in Tabelle 2 der EN 45545-2 aufgelistet. Für jede dieser Komponenten ergeben sich aus der Tabelle die entsprechenden Anforderungen (R-Satz = ein Satz mehrerer Anforderungen wie beispielsweise Menge toxischer Gase, Rauchgasentwicklung und zugehörige Messmethoden),  Die Norm enthält eine umfangreiche Auflistung von Komponenten, von denen rechts exemplarisch 5 aufgelistet sind:


3.2 Nicht gelistete Komponenten

Jedes Produkt, das nicht in Tabelle für gelistete Komponenten aufgeführt ist, gilt als nicht gelistetes Produkt und ist wie in der Regelung anbei einzustufen. Alternativ kann eine Baugruppe anhand der folgenden festgelegten Gruppierungsregeln bewertet werden. (Siehe Entscheidungsdiagramm)

3.2 Entscheidungsmatrix nicht gelistete Komponenten / Baugruppen

Wenn man sich bei nicht gelisteten Bauteilen an die obere Tabelle hält, ist man mit Sicherheit richtig. Jedoch ist es oftmals nicht möglich diese sehr hohen Anforderungen zu erreichen. Daher sieht die Norm einen Ablauf vor, um Baugruppen mit einzelnen qualifizierten Teilkomponenten einzustufen. Hierbei ist unter anderem der Abstand zu anderen nicht qualifizierten Bauteilen, das Gewicht, die Oberfläche udgl. entscheidend.